Faktencheck

Ist Tierhaltung notwendig für eine umweltfreundliche Kreislaufwirtschaft?

Die Antwort

Nein. Zum einen ist die heute übliche Landwirtschaft mit Tierhaltung gar kein geschlossener Kreislauf. Zum anderen braucht es nicht zwingend Tierhaltung, um einen geschlossenen Kreislauf zu schaffen.

Der Hintergrund

Die Idee des Kreislaufs in der Landwirtschaft bezieht sich meist darauf, dass Pflanzen vom Acker weiterverwertet und die Nährstoffe später wieder in den Boden zurückgeführt werden, so dass dieser dauerhaft fruchtbar bleibt. Die Frage ist, ob die Tierhaltung das gewährleistet und ob es einen Kreislauf ohne Tierhaltung geben kann.

Auf dem Prüfstand

Agrarverbände wie die Bauernverbände behaupten, dass die aktuelle Landwirtschaft inklusive der teils intensiven Tierhaltung eine „gesunde“ oder „natürliche“ Kreislaufwirtschaft darstelle, weil die Gülle der Tiere als Dünger weiterverwertet wird und so der Boden Nährstoffe zurückerhält.11 Eine Reduktion der Tierhaltung würde dagegen den Kreislauf schwächen oder aufheben und hätte negative Folgen für die Ressourceneffizienz und die Ernährungssicherung.12

Die Fakten

1. Die heute übliche Landwirtschaft mit Tierhaltung ist gar kein Kreislauf, weil stetig Nährstoffe zugeführt werden und gleichzeitig Nährstoffe abfließen.

Neue Nährstoffe gelangen in der konventionellen Landwirtschaft nicht nur durch künstlich hergestellten Dünger ins System, sondern auch durch importierte Futtermittel, die praktisch einen Nährstofftransfer aus anderen Weltregionen auf hiesige Agrarflächen darstellen.10 Außerdem werden Hülsenfrüchte als Nahrungs- oder Futtermittel angebaut, die mithilfe von Bakterien an ihren Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden. Das ist besonders in der ökologischen Landwirtschaft wichtig, wo kein Kunstdünger eingesetzt wird.

Zugleich fließen stetig Nährstoffe aus der Landwirtschaft ab, d.h. sie werden nicht dem Boden zurückgegeben. Das passiert, wenn pflanzliche Nahrungsmittel oder tierische Produkte verkauft und gegessen werden.4 Denn in der Regel werden die menschlichen Ausscheidungen nicht wieder als Dünger verwendet. Darüber hinaus werden unter anderem bei der Lagerung von Gülle und bei der Ausbringung von Dünger Emissionen frei, wodurch Stickstoffverbindungen in die Umwelt gelangen, anstatt wieder für die Ackerpflanzen zur Verfügung zu stehen.3, 5, 6 Die so verlorenen Nährstoffe müssen dann wieder aus externen Quellen ins System gebracht werden, um die Produktivität aufrecht zu erhalten.

Weil bei der Tierhaltung im Schnitt mehr Emissionen entstehen als beim Pflanzenbau, bedeutet eine Reduktion der Tierhaltung, dass insgesamt weniger externer Dünger benötigt wird.3, 13

2. Nährstoffkreisläufe (stärker) zu schließen, erfordert keine Tierhaltung.

Zum einen trägt die Tierhaltung nichts zum Kreislauf bei, was nicht auch anders möglich wäre. Anstatt Futtermittel zu düngen, kann man direkt die Nahrungspflanzen für Menschen mit Nährstoffen versorgen. Zwar werden über die Tierhaltung teilweise auch pflanzliche Nebenprodukte und Gras verwertet, die nicht ohne Weiteres für Menschen essbar sind. Diese kann man aber in den meisten Fällen alternativ auch kompostieren oder in Biogasanlagen nutzen, um wertvollen Dünger zu erhalten.4, 9
Die wichtigen Stickstoff-bindenden Hülsenfrüchten kann man zum Teil als Lebensmittel nutzen – zum Beispiel Ackerbohnen, Erbsen oder Linsen. Eine andere Option ist, nicht-essbare Hülsenfrüchtler wie Luzerne oder Klee anzubauen, um sie direkt und vollständig zu Dünger zu verarbeiten, ohne den Umweg über das Tier. So ist auch eine Landwirtschaft nach ökologischen Prinzipien ganz ohne Tierhaltung möglich.8

Um den Kreislauf wirklich zu schließen, müssen außerdem die Nährstoffe aus den menschlichen Ausscheidungen wieder auf die Äcker und Wiesen zurückgeführt werden. Dabei gibt es noch Herausforderungen, unter anderem um Sicherheit und Praktikabilität zu gewährleisten. Diverse Forschungsprojekte, Institutionen und Unternehmen arbeiten aber schon daran, weil eine solche „Sanitärwende“ große Vorteile für Umwelt- und Ressourcenschutz mit sich brächte.14 Die Tierhaltung braucht es dafür nicht.

Diese Seite ist Teil unseres Projektes „Online-Module für die Ernährungswende“, welches durch die Deutsche Postcode Lotterie gefördert wurde.

Die Inhalte dieser Seite stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA 4.0.

Quellen

[1]: Siehe zum Beispiel:

[2]: Merkur.de (2022): „Özdemir: Veränderung der Tierhaltung statt Abschaffung“. Online: https://www.merkur.de/wirtschaft/oezdemir-veraenderung-der-tierhaltung-statt-abschaffung-zr-91754001.html (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[3]: Schmitz (2022): „Das Düngermärchen“ In: Klimareporter. Online: https://www.klimareporter.de/landwirtschaft/das-duenger-maerchen (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[4]: Rahmann (2023): „Es geht auch ohne Nutztiere“. Thünen-Institut für ökologischen Landbau. Online: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066978.pdf, S. 19.

[5]: Bodirsky et al (2014): „Reactive nitrogen requirements to feed the world in 2050 and potential to mitigate nitrogen pollution“. In: Nature Communications, 5, 3858. https://doi.org/10.1038/ncomms4858

[6]: Liu et al. (2016): „Reducing human nitrogen use for food production“. In: Scientific Reports, 6, 30104. https://doi.org/10.1038/srep30104

[7]: Pierer et al. (2014): „The nitrogen footprint of food products and general consumption patterns in Austria“. In: Food Policy, 49, 1 128-136. https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2014.07.004

[8]: Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau (2024): „Häufig gestellte Fragen“. Online: https://biozyklisch-vegan.org/faq/ (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[9]: Mann (2020): „Could We Stop Killing?—Exploring a Post-Lethal Vegan or Vegetarian Agriculture“. In: World, 1, 2, 124-134. https://doi.org/10.3390/world1020010

[10]: Geupel/Frommer (2015): „Reaktiver Stickstoff in Deutschland“. Hg.: Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/reaktiver_stickstoff_in_deutschland_0.pdf, S. 19.

[11]: Zum Beispiel:

[12]: Fokus Fleisch – eine Initiative der Fleischwirtschaft (2024): „Nachhaltigkeit: Nutztierhaltung und Ackerbau gehören zusammen“. Online: https://www.fokus-fleisch.de/nutztierhaltung-und-ackerbau (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[13]: Zum Beispiel:

[14]: Zum Beispiel die folgenden Initiativen:

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner