Programm des Farm Food Climate Festivals

Besuch beim Farm Food Climate Festival: Welche Rolle spielt die Tierhaltung?

Vom 6. bis 8. September kamen in Schickelsheim in Niedersachsen zahlreiche Akteur*innen des Ernährungssystems zusammen, um sich beim Farm Food Climate Festival über die Zukunft von Landwirtschaft und Ernährung auszutauschen. Wir von Faba Konzepte waren dabei und berichten euch hier von unseren Eindrücken.
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Die Klima-Transformation ist unausweichlich

Das ganze Programm war von der Einsicht getragen, dass sich unser Ernährungssystem verändern muss: Die Klimakrise prägt schon jetzt die Landwirtschaft, viele Betriebe stehen wirtschaftlich unter starkem Druck. Zugleich müssen die Auswirkungen der Branche auf Umwelt und Klima verringert werden.
Es war viel die Rede von planetaren Grenzen, nachhaltiger Erzeugung, Reduktion von Emissionen und Förderung der Artenvielfalt. Teilnehmende Landwirt*innen ebenso wie Menschen aus der Verarbeitung, aus der Forschung und von NGOs waren sich einig, dass dafür bessere Bedingungen geschaffen werden sollen – oft fiel dafür der Begriff „Leitplanken“, wohl um auszudrücken, dass es bereits eine Dynamik in der Branche selbst gibt, die aber gelenkt und gefördert werden muss.

Die Lösungen sind da

Neben einigen Keynote-Vorträgen und Podiumsgesprächen liefen auf dem Festival fast 50 verschiedene Kleingruppen-Sessions zu sehr unterschiedlichen Themen. In vielen davon stellten Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen konkrete Lösungsansätze für die Transformation vor.

So zeigte zum Beispiel das Forschungsprojekt zirkulier.BAR auf, wie sich menschliche Ausscheidungen zu sicheren Düngemitteln verarbeiten lassen. Wenn wir Urin und Fäzes nicht mehr mit kostbarem Wasser wegspülen und mit schadstoffhaltigen anderen Abwässern vermischen, sondern über Trockentoiletten sammeln und sicher aufbereiten, können wir eine echte Kreislaufwirtschaft erreichen – von der jetzt so oft behauptet wird, dass wir dafür die Tierhaltung bräuchten (was allerdings auch nicht stimmt).

Diagramm zirkulierBAR

Ebenso faszinierend waren die Einblicke in die Potentiale von Bäumen als Teil der Landwirtschaft. Agroforst-Systeme können Erträge steigern, Biodiversität erhöhen und sogar den Wasserhaushalt einer Landschaft verbessern – was sowohl vor Dürren als auch vor Überschwemmungen schützt. Und wir könnten auch viel mehr Nahrungsmittel als heute von Bäumen gewinnen: Esskastanien, Hasel- und Walnüsse beispielsweise waren in einigen Kulturen Grundnahrungsmittel und könnten es wieder werden.

In einer weiteren Session ging es darum, wie Landwirt*innen Pflanzen für die menschliche Ernährung erfolgreich anbauen und absetzen können, die aktuell in Deutschland noch als Nischenkulturen gelten, darunter Linsen, Kichererbsen, Quinoa und Amaranth. Das Forschungsprojekt von zwei süddeutschen Hochschulen untersucht das in der Region Franken-Hohenlohe – die u. a. deshalb ausgewählt wurde, weil es dort viele Schweinebäuer*innen gibt, die bereits nach alternativen Einkommensquellen suchen.

Systemkritik und Tempo: Da geht noch mehr

Eine Vielzahl an spannenden Lösungsansätzen schafft nicht automatisch die notwendige Transformation. In mehreren Keynote-Vorträgen wurde klar, welche zentralen Hebel dafür bedient werden müssen – so betonten zum Beispiel Claudia Hunecke vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Stephanie Wunder vom Thinktank Agora Agrar, dass die Ernährung deutlich pflanzenbasierter werden muss.

Im restlichen Programm kamen uns allerdings diese Stellschraube und der dazugehörige Abbau der Tierhaltung zu kurz, denn es gab kaum Diskussionen dazu, wie das praktisch gehen kann – stattdessen wurden in Bezug auf die Tierhaltung teils Lösungen vorgeschlagen, die so kleinschrittig sind, dass sie sogar kontraproduktiv wirken könnten.

So durfte der Molkerei-Konzern Arla, übrigens ein Sponsor des Festivals, in einer Session sein „Nachhaltigkeits-Anreizmodell“ vorstellen: Milchbetriebe bekommen etwas mehr Geld für die Milch, wenn sie Maßnahmen für Klima und Biodiversität umsetzen. Dabei geht es zum Beispiel um Düngung, Fütterung oder Nutzung von Ökostrom. Auf die Frage, ob es auch Anreize gebe, die Tierzahlen zu senken und auf Alternativen zur Milch umzustellen, weil das doch der zentrale Faktor für den Klimaschutz sei, betonte der Molkerei-Vertreter: „Wir glauben an die Milch als Teil einer nachhaltigen Ernährung, und wir wollen die Milch wieder gesellschaftsfähig machen“. Das klang für uns dann doch eher nach Greenwashing als nach der nötigen Transformation.

Milch in Kanne und Glas vor Sonnenblumen
Mehr Schein als Sein: Kuhmilch als nachhaltiges Lebensmittel

Gerechtigkeit für Tiere

Ebenso fehlte uns auf dem Festival ein aufmerksamer Blick auf die Situation der Tiere. Zwar kamen Aspekte von Tierschutz oder „Tierwohl“ hier und da zur Sprache, es galt aber doch meist als selbstverständlich und unproblematisch, dass Tiere für unsere Zwecke gezüchtet, genutzt und getötet werden. Aber wer Weidefleisch, Hühnermast mit Reststoffen oder Aquaponik-Systeme mit Fischzucht als nachhaltige Lösungen präsentiert, hat dabei die Bedürfnisse der fühlenden Lebewesen, um die es geht, nicht ausreichend mit einbezogen.

Keynote-Speaker Jörg Reuter, Initiator des Food Campus Berlin und umtriebiger Unternehmer in der Ernährungsbranche, reagierte auf eine Frage dazu sogar mit dem Satz: „Wir töten auch den Apfel“. Zu derlei abgegriffenen Formeln kann nur jemand greifen, der die Forderung nach Tierrechten oder die Perspektive der Empathie mit Tieren noch nie ernsthaft zur Kenntnis genommen hat. Da gibt es also noch viel zu tun.

Danke!

Wir nehmen vom Farm Food Climate Festival viele spannende Einblicke und wertvolle Kontakte mit in unsere Arbeit bei Faba Konzepte. Es war toll mitzuerleben, wie verschiedenste Akteur*innen mit je eigenen Ansätzen an dem übergreifenden Ziel eines klimaverträglichen und sozialen Ernährungssystems arbeiten und dabei auch immer mehr Kooperationen entstehen. Zu dieser bunten Bewegung möchten auch wir beitragen – und dabei die Ziele Abbau der Tierhaltung, pflanzliche Ernährung und Gerechtigkeit für Menschen und Tiere noch weiter nach vorn bringen – denn die kommen in der Debatte um die Zukunft unseres Ernährungssystems nach wie vor zu kurz.

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