Faktencheck

Brauchen wir die Gülle aus der Tierhaltung als Dünger?

Die Antwort

Nein. Bei weniger Tierhaltung würde in der Landwirtschaft sogar insgesamt der Bedarf an externem Dünger sinken. So ließe sich Erdgas sparen, das für die Erzeugung von Stickstoffdünger verwendet wird.

Der Hintergrund

Gülle ist aktuell ein wichtiges Düngemittel im Ackerbau. Sie enthält viele Nährstoffe für Pflanzen, insbesondere Stickstoff. Mehr darüber kannst du im Modul „Tierhaltung, Ernährung und Umwelt“ im Kapitel „Nährstoffeintrag in Boden und Wasser“ nachlesen. Wenn die Tierhaltung im Einklang mit Klima- und Umweltzielen reduziert würde, fiele weniger Gülle an. Die Frage ist, ob dadurch ein Mangel entstünde oder es andere negative Folgen hätte.

Auf dem Prüfstand

Verbände wie der Bauernverband bezeichnen die Gülle als regionales und wertvolles Düngemittel und behaupten: Wenn weniger Gülle zur Verfügung stünde, müsste mehr künstlich erzeugter Stickstoffdünger eingesetzt werden.1 Dessen energieintensive Herstellung verbraucht viel Erdgas. Ähnlich äußerte sich der Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir.2 Auf dieser Basis erscheint die Tierhaltung als umweltfreundlich.

Die Fakten

1. Tiere stellen selbst keine Nährstoffe her.

Alles, was sie an Stickstoff ausscheiden, haben sie zuvor über das Futter aufgenommen. Die Futterpflanzen werden in der Regel auch gedüngt. Die Tierhaltung erzeugt also keinen Dünger, sondern wandelt nur Stoffe um, die vorher schon in Böden und Pflanzen enthalten sind.3, 4

Das ist zugleich aber kein Nullsummenspiel, sondern in der Gülle sind weniger Nährstoffe enthalten als im Futter: Zum einen werden durch die Verwertung der Produkte wie Fleisch oder Milch Nährstoffe abgeführt, zum anderen gelangen Stickstoffverbindungen als Emissionen in die Umwelt.5, 6 Daher sagen Expert*innen, dass die Gülle aus der Tierhaltung noch nicht einmal ausreiche, um die dafür nötigen Futtermittel zu düngen.3

2. Man muss daher immer wieder Stickstoff von außen ins System bringen.

Die eine Option dafür ist der energieaufwändige Kunstdünger. Es wäre effizienter, damit direkt Lebensmittel zu düngen anstatt Futtermittel, um nachher die Gülle der Tiere zu verwenden. Bei weniger Tierhaltung würde im System insgesamt nicht mehr, sondern weniger Kunstdünger benötigt.5, 6, 7

Es gibt noch eine andere Option, Stickstoff von außen in die Landwirtschaft zu bringen. Sie wird insbesondere im Ökolandbau genutzt und beruht auf Pflanzen, die mit Bakterien an ihren Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden können. Zu diesen Pflanzen, den Leguminosen, gehören einige beliebte Futterpflanzen wie Klee und Luzerne, aber auch essbare Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen. Mithilfe dieser Pflanzen kann man also den Boden mit Stickstoff anreichern, ganz ohne so genannte Nutztiere und ohne Kunstdünger. So ist auch ein veganer Ökolandbau möglich.8, 9

3. Wichtig zu sehen ist außerdem, dass aktuell statt einem Mangel an Gülle eine übermäßige Verwendung stattfindet, insbesondere in Regionen mit intensiver Tierhaltung.

Die Gülle der Tiere enthält dabei nicht nur die Nährstoffe aus der Gülle, die hierzulande mithilfe von Kunstdünger angebaut wurden, sondern auch diejenigen aus importierten Futtermitteln – damit findet effektiv ein Nährstofftransfer aus anderen Ländern hierher statt.10 Bei übermäßiger oder nicht fachgerechter Düngung verursachen Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor eine Verschmutzung umliegender Ökosysteme und des Grundwassers. Mehr zu diesem Problem erfährst du im Kapitel „Nährstoffeintrag in Boden und Wasser” im Modul „Tierhaltung, Ernährung und Umwelt“.

Diese Seite ist Teil unseres Projektes „Online-Module für die Ernährungswende“, welches durch die Deutsche Postcode Lotterie gefördert wurde.

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Quellen

[1]: Siehe zum Beispiel:

[2]: Merkur.de (2022): „Özdemir: Veränderung der Tierhaltung statt Abschaffung“. Online: https://www.merkur.de/wirtschaft/oezdemir-veraenderung-der-tierhaltung-statt-abschaffung-zr-91754001.html (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[3]: Schmitz (2022): „Das Düngermärchen“ In: Klimareporter. Online: https://www.klimareporter.de/landwirtschaft/das-duenger-maerchen (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[4]: Rahmann (2023): „Es geht auch ohne Nutztiere“. Thünen-Institut für ökologischen Landbau. Online: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066978.pdf, S. 19.

[5]: Bodirsky et al (2014): „Reactive nitrogen requirements to feed the world in 2050 and potential to mitigate nitrogen pollution“. In: Nature Communications, 5, 3858. https://doi.org/10.1038/ncomms4858

[6]: Liu et al. (2016): „Reducing human nitrogen use for food production“. In: Scientific Reports, 6, 30104. https://doi.org/10.1038/srep30104

[7]: Pierer et al. (2014): „The nitrogen footprint of food products and general consumption patterns in Austria“. In: Food Policy, 49, 1 128-136. https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2014.07.004

[8]: Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau (2024): „Häufig gestellte Fragen“. Online: https://biozyklisch-vegan.org/faq/ (zuletzt abgerufen: 15.01.2025).

[9]: Mann (2020): „Could We Stop Killing?—Exploring a Post-Lethal Vegan or Vegetarian Agriculture“. In: World, 1, 2, 124-134. https://doi.org/10.3390/world1020010

[10]: Geupel/Frommer (2015): „Reaktiver Stickstoff in Deutschland“. Hg.: Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/reaktiver_stickstoff_in_deutschland_0.pdf, S. 19.

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