Alternativen zur Tierhaltung: Pionierbetriebe zeigen Perspektiven für den Umstieg​

Von Klima- bis Tierschutz spricht viel für die Transformation zu einem pflanzenbasierten Ernährungssystem. Aber was bedeutet das für Tierhalter*innen? Viele von ihnen stehen aktuell vor der Frage: Sollen sie weitermachen wie bisher, vielleicht sogar nochmal in den Umbau von Ställen investieren? Oder setzen sie stattdessen auf andere Einkommensquellen?
Wir geben einen Einblick in Möglichkeiten inner- und außerhalb der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion, die sich Landwirt*innen bieten. Außerdem stellen wir Betriebe vor, die Vorreiter bei Alternativen zur Tierhaltung sind – weil sie zusätzliche Standbeine aufgebaut oder eine komplette Betriebsumstellung vorgenommen haben.
Zudem geben wir einen Überblick über hilfreiche Beratungsangebote im Umstellungsprozess.

Hintergrund

Umbau der Landwirtschaft als Chance

Viele tierhaltende Betriebe stehen unter Druck: Sie erfahren starke Kritik aus der Gesellschaft, die Preise schwanken und diverse politische Rahmenbedingungen der Tierhaltung sind nicht auf Dauer verlässlich. Oft erscheint die Hofaufgabe als einziger Ausweg.

Dabei liegt in der Krise der Tierhaltung auch eine große Chance: Um unser Ernährungssystem klimafreundlich und damit zukunftsfähig zu gestalten, braucht es eine grundlegende Transformation hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft. Das würde zudem die Versorgungssicherheit und landwirtschaftliche Resilienz innerhalb Deutschlands erhöhen, denn aktuell ist Deutschland bei wichtigen pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten auf Importe angewiesen (hier gibt es mehr Infos zu Selbstversorgungsgraden).

Heutigen Tierhalter*innen kommt entsprechend eine zentrale Rolle zu: Sie können vorangehen und die Transformation mitgestalten, indem sie verstärkt auf die Produktion pflanzlicher Lebensmittel oder auf andere alternative Bewirtschaftungsformen umsteigen.

Jeder Hof ist anders

Für Betriebe, die eine Diversifizierung oder Umstellung erwägen, gibt es nicht nur den einen Weg, so wie es nicht „die Landwirtschaft“ gibt. Welche Alternativen sich anbieten, hängt von den individuellen Begebenheiten auf den einzelnen Betrieben ab – etwa wie viel landwirtschaftliche Fläche vorhanden ist, welche Kulturen sich für den jeweiligen Boden und das regionale Klima eignen und welche Absatzmöglichkeiten es gibt. Auch müssen Landwirt*innen ihre individuellen Interessen, Fertigkeiten uns Ressourcen beachten.

Dabei ist es auch sinnvoll, über die zunächst naheliegenden Optionen im Acker- oder Gemüsebau hinauszudenken – Chancen können beispielsweise im Anbau von Nischenkulturen, wie in der Produktion von Pilzen oder Algen, oder in Alternativen jenseits der Nahrungsmittelerzeugung liegen.

Es braucht Unterstützung!

Eine betriebliche Diversifizierung oder Umstellung bringt diverse Herausforderungen mit sich. Landwirt*innen müssen in der Regel Investitionen tätigen. Diese sind unter anderem finanzieller Natur: Neue Maschinen für den Anbau anderer Kulturen kosten Geld, ebenso wie neue Produktions- oder Verarbeitungseinrichtungen. Hinzu kommt, dass Landwirt*innen sich neues Wissen aneignen müssen, was Zeit und oft auch Geld kostet. Damit mehr Betriebe ihre Produktion umstellen können, braucht es daher staatliche Unterstützung.

Ein erstes unterstützendes Programm für Landwirt*innen, die ihre Betriebe umstellen wollen, hatte die Ampelregierung 2024 unter dem Titel „Chancenprogramm Höfe“ auf den Weg gebracht. Die finanziellen Mittel des Programms sind jedoch im Vergleich zu den Summen, die in die Tierhaltung fließen, sehr gering. Die Politik sollte öffentliche Gelder aus der Tierhaltung abziehen und gezielt in die Produktion pflanzenbasierter Alternativen investieren.

Wir von Faba Konzepte haben im März 2024 ein Papier mit konkreten Empfehlungen zur Ausgestaltung des „Chancenprogramm Höfe“ veröffentlicht. Die Forderung nach mehr Unterstützung haben wir außerdem im Positionspapier „Alternativen zur Tierhaltung statt Fleischtümelei“ ausgeführt.

Klimafreundliche Lebensmittel erzeugen

Die Tierhaltung aufzugeben muss nicht bedeuten, die landwirtschaftliche Arbeit mit Böden und Natur sowie die Erzeugung von Lebensmitteln zu beenden. Denn Nahrungsmittelerzeugung geht auch ohne Tierhaltung!

Um die Wertschöpfung auf dem Betrieb zu erhöhen, kann es sinnvoll sein, eine eigene Verarbeitung aufzubauen oder dafür direkte Kooperationen einzugehen.

Alternativen im Ackerbau

Statt Futterweizen können Landwirt*innen, je nach Standort, andere Getreidesorten wie Hafer oder Dinkel anbauen.

Häufig als Tierfutter kultivierte Ackerbohnen können auch als Nahrungsmittel für den Menschen dienen. Zusätzlich gibt es noch viele weitere Leguminosen (Hülsenfrüchte) wie Sojabohnen, Erbsen, Kichererbsen oder Lupinen, die Landwirt*innen kultivieren können. Der Anbau von Leguminosen hat den Vorteil, dass sie Stickstoff im Boden binden und gute Vor- bzw. Zwischenfrüchte sind. Darüber hinaus bieten Pseudogetreide wie Quinoa, Amaranth oder Buchweizen gute Nährstoffwerte für den Menschen und der Anbau wird auch in Deutschland immer beliebter.

Bei Ölpflanzen wie Raps oder Sonnenblumen wird heute häufig das Öl als Nahrungsmittel verwertet, während das übrigbleibende Schrot als Tierfutter dient. Allerdings gibt es teilweise schon Alternativen zur Verfütterung: Beispielsweise wird bereits Fleischersatz aus Sonnenblumenschrot hergestellt und es gibt Forschungsprojekte darüber, Rapsproteine für den menschlichen Verzehr aufzubereiten. Kerne von Sonnenblumen, Lein, Hanf, Mohn etc. lassen sich auch als Rohware vermarkten. Fasern von beispielsweise Nutzhanf und Flachs können als Grundstoff für Kleidung, Seile oder als Dämmmaterial verwendet werden.

Darüber hinaus können Landwirt*innen mit Anbauerfahrung auch den Einstieg in die – von vielen Regularien bestimmte – Saatgutvermehrung versuchen.

Eine weitere Option ist der Anbau von Feldgemüse (s. unten).

Generell lässt sich sagen, dass der Anbau von Ackerkulturen wie (Pseudo-)Getreide, Leguminosen und Ölpflanzen für Landwirt*innen auf größeren Flächen tendenziell wirtschaftlicher ist.

Eigene Verarbeitung:
Eine Verarbeitung der Erzeugnisse auf dem eigenen Hof bietet Potenzial zur Wertschöpfung. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und reichen von der Hofbäckerei über Hafermilch- und Tofu-Produktion bis zur eigenen Ölpresse. Wer keine eigene Verarbeitung aufbauen möchte, kann über exklusive Vertragspartnerschaften oder eine Lohnverarbeitung nachdenken – die Verarbeitung also an andere Betriebe abgeben, sich durch eine enge Kooperation aber trotzdem an der Wertschöpfung beteiligen.

Auf dem Hof der Familie Kreiselmeyer in Mittelfranken wurden über fünf Generationen Milchkühe gehalten. Seit 2018 geht Tobias Kreiselmeyer neue Wege: Er kaufte eine gebrauchte Ölmühle und baut auf jeweils zwei Hektar Ölpflanzen wie Leindotter, Lein, Hanf und Raps an. Inzwischen findet die gesamte Wertschöpfung vom Anbau über die Ernte, die Verarbeitung und die Vermarktung auf dem eigenen Hof in der Manufaktur Kreiselmeyer statt. Weitere Informationen im Magazin LandInForm. Test  

Gemüsebau

Um im Winter Gemüse für den Verkauf vorrätig zu haben, sollte beim Anbau von Feldgemüse auf eine gut geplante Mischung an Sommer- und Wintergemüse (Lagergemüse) geachtet werden. Für einige Sonderkulturen, die in Dunkelheit heranwachsen (wie zum Beispiel Chicorée), können auch bestehende Ställe nachgenutzt werden. Diese Sonderkulturen können so das ganze Jahr über angebaut werden.

Beim Gemüsebau können der biologische Anbau und somit eine Bio-Zertifizierung von Vorteil sein. So reduzieren sich bestimmte Auswirkungen auf die Umwelt und Bio-Gemüse ermöglicht eine höhere Wertschöpfung.

In den letzten Jahren hatten Gemüsebetriebe mit Herausforderungen unter anderem durch die Marktsituation und den Klimawandel zu kämpfen. Eine Analyse zu Chancen und Risiken mit Handlungsempfehlungen gibt es hier.

Eigene Verarbeitung: 
Gemüse kann auf dem Hof zu Aufstrichen, Pestos und Chutneys weiterverarbeitet werden. Alternativ können beispielsweise Kooperationen mit anderen Organisationen zur Verarbeitung eingegangen werden.

Credits: Biohof Hausmann

Daniel Hausmann übernahm 2012 den konventionell bewirtschafteten Hof seines Vaters im mittelsächsischen Rochlitz, auf dem bis dahin Raps, Weizen und Gerste angebaut und die Wiesen durch Rinder beweidet wurden. Die Tierhaltung beendete Daniel Hausmann noch im selben Jahr. 2014 stellte er den Hof auf bio-veganen Ackerbau um und ließ ihn 2022 nach den biozyklisch-veganen Richtlinien zertifizieren.
Heute werden neben Getreide Gemüse und Kartoffeln angebaut und über eine Gemüsekiste vermarktet. Während im Jahr 2012 lediglich eine Person auf dem Hof arbeitete, bewirtschaftet mittlerweile ein festes Team aus acht Menschen den Biohof Hausmann.

Kerstin und Stephan Klünemann hielten bis 2018 noch 200 Sauen in konventioneller Haltung auf dem Hof Klünemann im Emsland. Aufgrund von Investitionsunsicherheiten entschieden sie sich dann jedoch für einen Ausstieg aus der Schweinehaltung.
Die leerstehenden Ställe sollten aber nachgenutzt werden. Zunächst bauten sie versuchsweise Pilze an, entschieden sich letztlich jedoch für Chicorée: Dieser gedeiht im Dunklen unter kontrollierten Bedingungen. Zudem kann der Anbau in den ehemaligen Ställen das ganze Jahr über erfolgen. Die Nachfrage war so groß, dass bald eine professionelle Halle errichtet wurde. Hinsichtlich der Vermarktung entschied sich Familie Klünemann für eine Genossenschaft.
Mehr Informationen in diesem NDR-Beitrag.

Pilzbau

Die vorhandene Infrastruktur kann durch den Einbau nötiger Technik wie Lüftung und Beleuchtung für den Pilzbau umfunktioniert werden. Edelpilze wie Shiitake oder Kräuterseitlinge wachsen auf Substraten, die in der Regel frei von tierischen Bestandteilen sind. Durch die Kultivierung in Substratblöcken können die Pilze auf mehreren Etagen platzsparend angebaut werden.

Beim Pilzbau kann sich eine Bio-Zertifizierung lohnen, wodurch die Wertschöpfung erhöht werden kann.

Abnehmer*innen können die Gastronomie oder lokale Geschäfte sein, aber auch Privatkund*innen, z. B. im Hofladen oder an einem eigenen Verkaufsautomaten.

Eigene Verarbeitung: 
Die Pilze können auf dem Hof beispielsweise zu Aufstrichen, Pestos, Pilzpulvern oder anderen Produkten weiterverarbeitet werden, wodurch die Wertschöpfung gesteigert werden kann.

Eckard Janssen und seine Familie vom Grafthof in Ostfriesland stiegen 2019 aufgrund einer Futtermittelvergiftung aus der Schweinemast aus.
Der Pilzanbau war zunächst ein Hobby des Landwirts, welches er dann zum neuen Betriebszweig machte: Heute baut er mit seiner Familie in den ehemaligen Ställen verschiedene Sorten Bio-Edelpilze an, die er unter anderem auf Wochenmärkten und an die Gastronomie verkauft.
In einem Interview sagt der Landwirt: „Wir leben jetzt insgesamt besser mit der Pilzzucht, wie mit den Schweinen. Für Schweine hätten wir das Kapital nicht mehr gehabt und mit Pilzen kann man einfacher anfangen.“

Familie Hofmann aus dem baden-württembergischen Rot am See-Musdorf ist 2020 von der Tierhaltung auf die Pilzzucht umgestiegen. In den Ställen des Betriebs Hofburk, in denen bis 2014 noch Milchkühe und Schweine standen und zuletzt Bullenmast betrieben wurde, werden heute Shiitake und Kräuterseitlinge ökologisch angebaut.

Für Familie Rein aus dem baden-württembergischen Breisach am Rhein zeichnete sich 2020 ab, dass ihre Schweinehaltung keine Perspektive mehr hat. Die Suche nach einer ganzjährig ertragreichen Alternative führte sie zum Edelpilzbau. Für die Pilzzucht und -verarbeitung bauten sie den Schweinestall innerhalb eines halben Jahres und mit einem sechsstelligen Investitionsvolumen um.
Seit Herbst 2021 kultiviert Familie Rein auf dem Pilzhof Rein Shiitake, Kräuter- und Austernseitlinge in biologischem Anbau. Auf dem Betrieb verarbeitet Diana Rein in Handarbeit einen Teil der Pilze zu beispielsweise Pulvern und Saucen weiter.
Die Familie vermarktet die Pilze frisch oder weiterverarbeitet unter anderem an die Gastronomie, über verschiedene Hofläden und den Einzelhandel. 

Anbau von Obst und Nüssen

Die Wahl der Pflanzensorte bestimmt maßgeblich den Planungshorizont des Anbaus. Anders als bei Staudenobst legen sich Landwirt*innen, die sich für Bäume oder Sträucher für Obst- bzw. Nussbau entscheiden, auf einen langfristigen Anbauzeitraum fest, da die Ernte erst einige Jahre nach Anbau erfolgt. Baum- bzw. Strauchobst kann beispielsweise in Monokulturen oder Agroforstsystemen angebaut werden. Durch den Anbau verschiedener Kulturen auf derselben Fläche kann in Agroforstsystemen der Ertrag pro Fläche gesteigert werden.

In der Obst- und Nusswirtschaft können der biologische Anbau und somit eine Bio-Zertifizierung von Vorteil sein. So reduzieren sich bestimmte Auswirkungen auf die Umwelt und Bio-Obst oder –Nüsse ermöglichen eine höhere Wertschöpfung.

Wirtschaftlich gelten der Obst- und Nussbau als herausfordernd, da die Konkurrenz durch Importware hoch ist und hohe Qualitätsanforderungen am Markt bestehen.

Eigene Verarbeitung: 
Bei Obst bietet sich unter anderem die Saftproduktion an. Apfelsaft kann beispielsweise zu Cidre veredelt und als lokale Spezialität verkauft werden. Nüsse können unter anderem als ganzes, geknackt oder als Nussöl verkauft werden. Landwirt*innen können bestehende Gebäude, wie alte Ställe, entsprechend umnutzen, sodass die Produkte dort gelagert und verarbeitet werden können.

Gemeinsam mit dem Verein WeField e. V. hat der Biohof Wilkenshoff im Frühjahr 2022 im Süden Hamburgs einen Hektar ehemalige Ackerfläche aufgeforstet, auf der zuvor Mais und andere Futtermittel angebaut wurden.
Dort stehen nun insgesamt 36 Pflanzgruppen, bestehend aus jeweils einem Nussbaum, zwei Obstbäumen und vier Beerensträuchern.

Algenkultivierung

Algen können beispielsweise zur Herstellung von Alternativen zu Tierprodukten, von Vitaminpräparaten oder Kunststoffen eingesetzt werden.

Die Algenproduktion erfolgt, je nach Algenart, in offenen Pools in Gewächshaus-ähnlichen Gebäuden oder in geschlossenen Rohrsystemen. Zum Wachstum benötigen Algen eine hohe Versorgung mit Sonnenlicht.

Der Markt für Algenerzeugnisse gilt als zukunftsfähig und wachsend. Die regionale Algenerzeugung ist in Deutschland noch ein junges Feld. Daher ist es für interessierte Landwirt*innen ratsam vorab zu prüfen, inwiefern sie Partnerschaften mit weiterverarbeitenden Betrieben aufbauen können.

Eigene Verarbeitung:
Auch mit Algen lässt sich durch die eigene Verarbeitung eine gesteigerte Wertschöpfung auf dem Hof oder durch Kooperationen betreiben. Beispielsweise können sie vor Ort zu Pulver, Granulaten oder Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel weiterverarbeitet werden. Finden sich entsprechende Kooperationen, lassen sich auch z. B. Aufstriche, Backwaren, Teigwaren oder Getränke mit Algen anreichern und als Spezialität verkaufen.

Landwirt Steffen Kemper und seine Familie standen vor hohen finanziellen Investitionen in ihre Tierhaltung und vor unklarer Planungssicherheit. Daraufhin entschieden sie sich für eine Alternative zur Tierhaltung: Seit 2023 bauen sie mit der Algen Münsterland GmbH in drei großen Gewächshäusern Spirulina-Algen an.
Diese vermarkten sie unter anderem als Kapseln, Pulver oder Algensalz über einen Online-Shop, der von einem Zusammenschluss aus Algenproduzent*innen betrieben wird.
Weitere Informationen in diesem WDR-Beitrag.

Herausforderung Vermarktung

Viele Landwirt*innen, die von der Tierhaltung auf andere Betriebszweige umsteigen, haben noch keine eigenen Erfahrungen in der Vermarktung ihrer Produkte. Je nach neuem Geschäftsmodell müssen sie sich aber um eigene Werbung kümmern, geeignete Vertriebswege finden, ihre Preise selbst gestalten, sich um eine oft komplexere Buchhaltung kümmern und oft auch eine eigene Website erstellen. 

Unterstützung im Lernprozess können beispielsweise Landwirtschaftskammern, Landfrauenverbände oder das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft leisten. Generell ist es bei Betriebsumstellungen stets hilfreich, sich auf Erfahrungen anderer Landwirt*innen zu beziehen, die eine gänzliche Betriebsumstellung bereits vollzogen oder sich ein neues Standbein außerhalb der Tierhaltung aufgebaut haben. In manchen Regionen gibt es bspw. sogenannte „Bauer-zu-Bauer-Gespräche“, bei denen Erfahrungswerte ausgetauscht werden können.

Grundsätzlich wird zwischen der Direktvermarktung und anderen Vermarktungswegen über Zwischenhändler*innen unterschieden. Zur Direktvermarktung gehören unter anderem der Verkauf auf Wochenmärkten, über Hofläden und einen eigenen Online-Shop oder der Vertrieb an die Gastronomie. Über diese Optionen hinaus können Landwirt*innen ihre Produkte u. a. über den Groß- und Einzelhandel, über Online-Portale oder lokale Abo-Kisten vertreiben. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist vielfältig.

In der Ausgestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft ist der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten ist ein zentrales und komplexes Thema, das hier nur kurz angerissen werden kann.  

Perspektiven jenseits der Lebensmittelproduktion

Neben der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung gibt es weitere Alternativen zur Tierhaltung. Hier legen wir exemplarisch eine Auswahl anderer landwirtschaftlicher oder landwirtschaftsnaher Nutzungsweisen vor.

Erneuerbare Energien

Beispielsweise können Landwirt*innen Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf Dächern von Gebäuden installieren. Doch auch auf dem Feld selbst kann durch unter anderem PV-Anlagen Strom erzeugt werden. Entscheiden sich Landwirt*innen zudem für aufgeständerte PV-Anlagen, unter oder zwischen denen sie weiterhin Landwirtschaft betrieben können, nutzen sie im Sinne von Agri-PV-Anlagen ihre Flächen gleich doppelt sinnvoll.

Bei einigen Obst- und Gemüsesorten sind in einer solchen Anlage sogar Ertragssteigerungen möglich. Anlagen, die die Kulturen überdachen, schützen diese zudem vor Wettereinflüssen wie Sonneneinstrahlung, Starkregen oder Hagel und können auch die Wasserverdunstung reduzieren.

Je nach Standort kann auch die Errichtung von Windkraftanlagen auf den eigenen Feldern in Frage kommen.

Obstbau unter aufgeständerter Photovoltaik-Anlage
Credits: Lisamiri CC BY-SA 4.0 // https://de.wikipedia.org/wiki/Agri-Photovoltaik#

Josef Kneer aus Büren in Nordrhein-Westfalen baute auf einer Fläche von 4.200m² eine aufgeständerte PV-Anlage. Diese nutzt er wie ein offenes Gewächshaus, denn darunter baut er verschiedenes Beerenobst und an den Rändern einige Apfelbäume an. Den Strom speiste der Landwirt im Jahr 2022 zunächst in das örtliche Stromnetz ein.
Mehr Informationen in diesem Bericht.

Naturschutzmaßnahmen

Bereits mit Tierhaltung können Landwirt*innen, beispielsweise im Rahmen von Weidehaltung, Naturschutzmaßnahmen betreiben. Doch auch ohne Tierhaltung gibt es vielfältige durchführbare Naturschutzmaßnahmen für Landwirt*innen. Diese können entweder durch finanzielle Förderungen auf Bundes- oder Länderebene honoriert oder als Geschäftsmodell organisiert werden.

Beispiel für ein Förderprogramm:
Als Beispiel für Naturschutz-Förderungen seien die bayrischen Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinien (LNPR) aufgeführt. Diese fördern Projekte, die ökologisch wertvolle Lebensräume pflegen, erhalten, entwickeln oder neu schaffen. Außerdem fördern die LNPR Artenschutzmaßnahmen für heimische Tier- und Pflanzenarten, deren Bestand gefährdet ist. 
Unter den förderfähigen Maßnahmen sind unter anderem folgende: Erhalt, Pflege und Erweiterung von Streuobstbeständen; Vorhaben auf Moorstandorten wie Renaturierungsmaßnahmen und Vorhaben zur naturverträglichen Besucher*innenlenkung in schützenswerten Lebensräumen.

Im Teufelsmoor in Niedersachsen gehen einzelne Landwirt*innen voran und vernässen Moorfläche freiwillig wieder.
Da auf diesen Flächen dann keine Tierhaltung mehr möglich ist, haben sich dort 19 Moorbauern zur Aufwuchsverwertung Teufelsmoor-Osterholz GmbH & Co. KG zusammengeschlossen. Seit 2024 machen sie die Moorgräser-Fasern wirtschaftlich verwertbar. Dazu errichtete der Verbund eine gemeinsame Trocknungsanlage und erzeugt nun einen Rohstoff, der zum Möbel- und Hausbau, für Verpackungen, Papier und Pappen geeignet ist.
Mehr Informationen in diesem taz-Beitrag.

THC-haltiger Cannabis

Bereits seit 2017 ist der Anbau von THC-haltigem Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland erlaubt, jedoch durften lediglich ausgewählte Unternehmen das sogenannte Medizinalcannabis im industriellen Maßstab anbauen.

Seit der teilweisen Legalisierung im Jahr 2024 ist der Anbau von THC-haltigem Cannabis für den Privatkonsum auch für Landwirt*innen mit kleineren Betrieben interessant, denn: Ehemalige Schweine- oder Hühnerställe bieten gute Voraussetzungen für die Produktion, wie zum Beispiel große, geschlossene Räume mit kontrollierten klimatischen Bedingungen und Lichtinstallationen.
Voraussetzung für den nicht-medizinischen Anbau ist die Gründung einer Anbauvereinigung (auch „Cannabisclub“ genannt) und die Beantragung des Anbaurechts. Die Mitglieder des Cannabisclubs können zusammen mit den Landwirt*innen für den Eigenkonsum Cannabis anbauen.

Sinnvoll ist ein Blick in die Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz des Bundesministeriums für Gesundheit.

In einem ehemaligen Stall hat einer der ersten Cannabisclubs Deutschlands mit einer Lizenz zum Anbau THC-haltigen Cannabis den Betrieb aufgenommen. Der Cannabis Social Club Ganderkesee bei Bremen hat den Stall unter anderem mit Anzuchtschränken und LED-Leuchten bestückt, um optimale Anbaubedingungen zu schaffen.

Exkurs:
Auch ehemalige fleischverarbeitende Betriebe sind für die Cannabis-Branche interessant. Im ehemaligen Schlachthof der Löblein-Gruppe im sächsischen Naunhof im Landkreis Meißen wird medizinisches Cannabis angebaut und verarbeitet.
Noch Mitte der 1990er-Jahre wurde der Standort mit Millionensubventionen modernisiert. Er zählte zu den größten und modernsten Schlachtbetrieben für Schweine und Rinder in Europa. 
Mehr Informationen in diesem Bericht.

Lebenshöfe

Lebenshöfe bieten die Möglichkeit, Tieren dauerhaft ein Zuhause und ein Leben in Würde zu ermöglichen. Einnahmequellen für Lebenshöfe sind unter anderem Spenden und Förderungen, Hofführungen und Besuchertage mit Bildungsarbeit. Führen Landwirt*innen Veranstaltungen vor Ort durch, bei denen Interessierte direkte Mensch-Tier-Beziehungen herstellen können, kann das zum Beispiel zu dauerhaften Pat*innenschaften führen.

Da viele Förderungen nur an gemeinnützige Organisationen ausgeschüttet werden, ist es sinnvoll, einen als gemeinnützig anerkannten Verein zu gründen.

Szene von Lebenshof "Kuhtopia". Credits: Katharina Astleitner
Credits: Katharina Astleitner

Der ehemalige Milchbetrieb Moiernhof in Oberbayern besteht schon seit mehreren hundert Jahren.
Im Jahr 2023 haben die Hofnachfolgerinnen Helen und Stefanie Mühlbacher ihn zum Lebenshof Kuhtopia gemacht: Er bietet 13 Rindern, einigen Hühnern und Schweinen ein Zuhause, in dem sie frei von jeglichen Nutzungsansprüchen leben dürfen.

Beratungs- und Unterstützungsangebote

Für Landwirt*innen, die verstärkt auf den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln setzen wollen, gibt es beispielsweise folgende Anlaufstellen (teilweise mit regionalem Fokus):


Generelle Beratung zu Betriebsumstellungen
hin zu Wirtschaftsweisen ohne Tiernutzung bietet: TransFARMation Deutschland e.V.

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird fortlaufend ergänzt.

Veröffentlichung

Empfehlungspapier zum Chancenprogramm Höfe

Wie können tierhaltende Betriebe bei der dringend notwendigen Transformation unterstützt werden? Mit dem Chancenprogramm Höfe stellte die Bundesregierung 2024 30 Millionen Euro in Aussicht, um landwirtschaftliche Betriebe dabei unterstützen, von der Tierhaltung auf die Produktion und Verarbeitung innovativer Proteine und klimafreundlicher Lebensmittel umzustellen. Aber welche politischen Maßnahmen sollen im Einzelnen umgesetzt und welche Anreize sollten für die Betriebe geschaffen werden? Zusammen mit dem Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. und der Organisation TransFARMation Deutschland haben wir am 6. März 2024 ein Empfehlungspapier dazu veröffentlicht. Darin schlagen wir u. a. vor, Modellregionen zu schaffen, wo sich relevante Akteur*innen vernetzen und neue Wertschöpfungsketten für pflanzliche Nahrungsmittel aufbauen können. Außerdem skizzieren wir verschiedene bundesweite Maßnahmen, die interessierten Betrieben den Umstieg erleichtern können – zum Beispiel in Form von Investitionsförderungen sowie Beratungs- und Weiterbildungsangeboten.

Zu den Organisationen:

TransFARMation Deutschland begleitet landwirtschaftliche Betriebe, die aktuell Tierhaltung betreiben und auf alternative Betriebsformen umsteigen. Der gemeinnützige Verein unterstützt die Betriebe durch eine individuelle Beratung, Konzepterstellung, Vernetzung sowie Öffentlichkeitsarbeit und dient während des gesamten Prozesses als Ansprechpartner.

Faba Konzepte ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für eine gerechte Transformation des Ernährungssystems engagiert. Mit Veranstaltungen, Konzeptpapieren und Öffentlichkeitsarbeit mischt sich Faba Konzepte in die gesellschaftliche Debatte ein, vernetzt Wissenschaft, Praxis, Politik und Zivilgesellschaft und unterstützt konkrete Umstiegsprojekte.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner