In Deutschland werden fast drei Viertel aller Moorflächen landwirtschaftlich genutzt – vor allem als Weideflächen für Rinder oder für den Anbau von Futtermitteln wie Silomais.¹ Für diese Nutzung ist es notwendig, dass Moore entwässert werden – ein Prozess, bei dem das Moor große Mengen der Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO₂) und Lachgas (N₂O) freigibt. In diesem Blogbeitrag erfahrt ihr, wie Moore funktionieren, welche Auswirkungen die Entwässerung der Moore auf unser Klima hat und warum die Reduzierung der Tierzahlen auch hier ein wichtiger Hebel für Klimaschutz ist. Schaut für mehr Infos auch gerne in die Aufzeichnung unseres Faba Talks mit Dr. Wendelin Wichtmann vom Greifswald Moor Centrum.
Was genau ist eigentlich ein Moor?
Moore entstehen dort, wo der Boden ganzjährig nass ist.² Im nassen Boden können abgestorbene Pflanzenteile nicht vollständig zersetzt werden, da dafür die Sauerstoffzufuhr fehlt. Es sammelt sich dort also mehr und mehr Biomasse und aus den abgestorbenen Pflanzenresten entsteht mit der Zeit der typische Torfboden, welcher immer weiter in die Höhe wächst. Verschiedene Moorarten werden dabei anhand ihrer Wasserspeisung unterschieden. Sogenannte Niedermoore werden vom Grundwasser versorgt. Sind die Moore so hoch gewachsen, dass sie den Kontakt zu grundwassergesättigten Bereichen verloren haben, sind sie von Wasser aus Niederschlägen abhängig. Dann nennt man sie Hochmoore oder auch Regenmoore.
Beeindruckende Ökosysteme
In intakten, lebenden Mooren finden sich zahlreiche seltene Tiere und Pflanzen, die sich an diese nassen Bedingungen angepasst haben. Darunter bedrohte Arten wie der Seggenrohrsänger, der Große Moorbläuling oder das Firnisglänzende Sichelmoos. Moore sind bedeutend für den Erhalt der Artenvielfalt – auch wegen ihrer oft weiten, offenen Wasserflächen, an denen Vögel rasten und überwintern können. Hinzu kommt, dass nasse Moore Schadstoffe aus dem Wasser filtern und somit dessen Qualität verbessern. In den Torfböden werden außerdem große Mengen CO₂ gespeichert – obwohl Moore nur 3 % der globalen Landfläche bedecken, speichern sie doppelt so viel wie die Biomasse aller Wälder der Erde.²
Entwässerung und Tierhaltung – Moore als Klimakiller
Über 98 % der Moorflächen in Deutschland weisen einen veränderten Wasserhaushalt auf³ – sie sind entwässert, abgetorft, bebaut oder für landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt. Entwässerte Moorflächen werden heutzutage überwiegend für die Tierhaltung genutzt. Die Gebiete dienen der Weidehaltung von Rindern zur Fleisch- sowie Milcherzeugung, aber auch dem Anbau von deren Futter.²
Diese Nutzungsform ist in mehrfacher Weise klimaschädlich: Zum einen durch die entwässerten Moore selbst, deren Torfkörper mit der Entwässerung mineralisiert und gespeichertes CO₂ freigibt. Zum anderen durch die Tiere, denn Rinder stoßen mit ihrer Verdauung das enorm klimaschädliche Treibhausgas Methan aus.
Grundsätzlich gilt bei der Moornutzung: Je intensiver die Nutzung, desto größer der Klimaschaden. Intensive Ackerlandnutzung, überwiegend für den Anbau von Mais als Tierfuttermittel, ist auf entwässerten Moorböden am klimaschädlichsten – pro Hektar entstehen jährlich 40 Tonnen CO₂-Äquivalente.² Oftmals wird daher die Nutzung von extensivem, feuchten Grünland als klimafreundliche Alternative präsentiert. Befürworter*innen werden nicht müde, die Kuh auf dem Grünland als Klimarettung zu bewerben. Ein Blick auf die Emissionen zeigt aber, dass Rinderhaltung auf entwässertem Moorböden für das Klima enorm schlecht ist: Dabei werden pro Hektar 30 Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr produziert. Zum Vergleich: Ungefähr die gleiche Menge wird ausgestoßen, wenn wir mit einem PKW dreimal die Erde umrunden.³ Da sich insgesamt fast 20 % der Grünlandflächen in Deutschland auf trockengelegten Mooren befinden,⁴ ist das Einsparpotenzial für Treibhausgase hier groß.
Die beste Klimabilanz hat am Ende das naturnahe Moor, das nicht von Menschen genutzt wird. Dem entgegen stehen allerdings wirtschaftliche Interessen und der Bedarf an Flächen für den Anbau von Rohstoffen. Eine klimafreundliche Bewirtschaftungsalternative könnte die sogenannte Paludikultur darstellen, also die Bewirtschaftung von Mooren unter nassen Bedingungen. Mehr dazu erfahrt ihr weiter unten.
Tierzahlen runter, und zwar jetzt!
Auch ohne Moorflächen ist die Tierhaltung schon extrem klimaschädlich. Die Nutzung von entwässerten Mooren für die Herstellung tierischer Produkte verschlimmert deren Klimabilanz aber noch einmal drastisch. Wenn auf Mineralböden Milch produziert wird, gibt es eine Belastung der Atmosphäre von 0,6 bis 1,5 kg CO₂-Äquivalenten pro Liter Milch. Kommt die Milch von Tieren auf entwässerten Mooren, liegt die Belastung bei 4 kg CO₂-Äquivalenten. ³
Es ist sowohl für den Klima- als auch den Biodiversitätsschutz dringend notwendig, dass entwässerte Moore wiedervernässt werden. Jährlich werden insgesamt 46,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente aus Mooren freigesetzt – das entspricht 4 % der Gesamtemissionen Deutschlands. Moore sind ein wichtiger Hebel für die Senkung unser Treibhausemissionen und bedeutend für den Klimaschutz. Die Herausforderung ist aber groß: Auch wenn das Pariser Klimaabkommen quasi schon gescheitert ist, müssten um dessen Ziele zu erreichen in Deutschland mindestens 50.000 Hektar Moorflächen im Jahr wiedervernässt werden.² Aktuell passiert dies auf ca. 2.000 Hektar im Jahr.³
Die Wiedervernässung muss zwangsläufig mit einer starken Reduzierung der Tierzahlen einhergehen, denn je nasser das Moor desto weniger bis gar keine Tierhaltung lässt sich dort betreiben. Ein Festhalten an dieser Bewirtschaftungsform ist angesichts des verursachenden ökologischen Schadens nicht mehr vertretbar. Mit dem steigenden Bewusstsein, dass unsere Moore relevante, schutzbedürftige Ökosysteme sind, muss endlich auch die damit zusammenhängende Rolle der Tierhaltung in den Fokus gerückt werden. Für Landwirt*innen braucht es dabei sichere Perspektiven durch Umstiegsprogramme auf nachhaltigere Alternativen und Förderungen für eine klimafreundliche Landwirtschaft.
Alternative Nutzung – Ist Paludikultur eine Lösung?
Am besten für das Klima ist die komplette Wiedervernässung. Soll eine landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich sein, muss diese zumindest klimafreundlicher werden. Der Ökolandbau stellt dabei keine passende Alternative dar, denn es kommt nicht darauf an, ob Pflanzen ökologisch angebaut oder Tiere nach Bio-Richtlinien gehalten werden, sondern darauf, wie die Flächen entwässert sind.³ Mit der Paludikultur können die Wasserstände angehoben werden, ohne dass landwirtschaftliche Betriebe auf eine Nutzung verzichten müssen. Dabei werden im Vergleich zu entwässerten Bewirtschaftungen Nährstoffausträge und Treibhausgasemissionen reduziert (auf 5-8 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Hektar und Jahr). Die Paludikultur ist unter anderem geeignet um halmgutartige Biomasse, Holz und andere Energierohstoffe oder Baumaterialien zu produzieren – so liefert sie auch Alternativen für fossile Rohstoffe.
Tierhaltung ist in der Paludikultur aber nicht zwingend ausgeschlossen. Einige Paludi-Bewirtschaftungsformen beinhalten die Haltung von Wasserbüffeln, Gänsen, Rindern oder Schafen. Da Moorböden aber wenig tragfähig sind, sind die Haltungsbedingungen erschwert und meistens kostenintensiver als der Ertrag. Hinzu kommen mögliche tiergesundheitliche Probleme wie Hufprobleme, der Lungenwurm oder Leberegel. Tiergebundene Verfahren in der Paludikultur benötigen daher einen geringeren Wasserstand als andere Verfahren, wie die Herstellung von Schilfröhricht oder Großseggenried. Mit geringerem Wasserstand werden dann auch wieder mehr Treibhausgasemissionen verursacht.³
Hoch mit dem Moorschutz – runter mit den Tierzahlen!
Aber wie?
Tierhaltung auf Moorflächen ist schlecht fürs Klima, so viel steht fest. Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen und Moore in großem Maße wiedervernässen, müssen die Tierzahlen sinken. Selbst in der Paludikultur hat die Tierhaltung keine Zukunft – die wenigen tiergebundenen Bewirtschaftungsverfahren sind aufwendig und meist wirtschaftlich wenig ertragreich.³
Wirtschaftlich ertragreich sind Wiedervernässung und Paludikultur derzeit aber generell noch nicht. Erlöse aus der Paludikultur reichen meist nicht aus, um für Landwirt*innen Gewinne zu erwirtschaften – selbst in Kombination mit den Direktzahlungen aus der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Es braucht daher Zusatzförderungen und attraktive Anreize für landwirtschaftliche Betriebe.
Aktuell wird vor allem die entwässerungsbasierte Bewirtschaftung von Mooren in Deutschland im Rahmen der GAP gefördert³ – eine Konkurrenz zu ökologischeren Bewirtschaftungen, die verhindert, dass Landwirt*innen ihre Flächennutzung verändern. Das verursacht auch gesellschaftliche Kosten: Die Schadenskosten der Treibhausgasemissionen aller Moore in Deutschland belaufen sich auf über 8 Milliarden Euro im Jahr. Auch Milchvieh- und Weidebetriebe, die Moorflächen nutzen, produzieren einen viel höheren finanziellen Schaden mit ihren Emissionen, als die daraus herauszuholende Wertschöpfung – und werden nur durch entsprechende Subventionen am Leben gehalten.³
Subventionen müssen endlich in Maßnahmen und Betriebe fließen, die sich an Klimazielen orientieren. Entsprechende Anpassungen in der Agrarförderpolitik sind längst überfällig: Förderungen dürfen nicht mehr in die Nutzung entwässerter Moorböden und den Erhalt der Produktion tierischer Lebensmittel fließen, sondern in Wiedervernässungsmaßnahmen und die Produktion pflanzlicher Proteine und Rohstoffe. Zeitgleich braucht es dringend politische Maßnahmen, die die Reduzierung der Tierzahlen vorantreibt. Damit sind nicht Umbaumaßnahmen für „tierwohlgerechte“ Ställe gemeint, sondern Umstiegsprogramme für Landwirt*innen, Förderungen und Forschung in den Anbau pflanzlicher Proteine sowie eine EU-weite Mengensteuerung für die Tierhaltung.
In der 2022 beschlossenen Nationalen Moorschutzstrategie des BMUL (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) wird nicht mit einem Wort erwähnt, welcher Zusammenhang zwischen der Klimaschädlichkeit entwässerter Moore und der Tierhaltung besteht. Auch im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz des BMUL finden sich dieser Zusammenhang und daraus resultierende Maßnahmen zur Reduktion der Tierzahlen nicht. Das BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) schreibt dagegen im „4-Punkte-Plan: Zukunftsfähige Milchviehaltung stärken“, dass wir als Gesellschaft „zukunftsfähige Perspektiven“ für die Milchbetriebe schaffen müssen, die Grünland auf entwässerten Moorböden nutzen. Nach dem Maßnahmenpapier sollen dafür „zusammen mit den Landwirtinnen und Landwirten vor Ort zukunftsfähige Konzepte für Moorgebiete“ entwickelt und „Honorierungsangebote für freiwillige Wiedervernässungsmaßnahmen im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz auf den Weg“ gebracht werden.
Es braucht mehr als das. Die Politik ist in der Verantwortung die Rahmenbedingungen zu setzen, die es Landwirt*innen ermöglicht mit einer sicheren Perspektive auf alternative Bewirtschaftungsformen umzusteigen. Neben Förderungen und Informationsbereitstellung, bedarf es gerade im Bereich der Paludikultur auch noch weiterer Forschung, u. a. zur Optimierung der Wertschöpfung oder Arbeitsplatzbindung.³ Denkbar wäre zukünftig beispielsweise auch eine Mengensteuerung – Betriebe müssten dabei Emissionsrechte erwerben, um Verfahren mit höherer CO₂-Produktion nutzen zu können. Angesetzt werden müsste hier aber bei den Schlacht- und Molkereibetrieben, damit landwirtschaftliche Betriebe nicht noch mehr Bürokratie-Arbeit erledigen müssen.
Weitere Quellen und Hintergrundinformationen:
¹ https://www.boell.de/de/2023/01/10/tierhaltung-auf-moorboeden-rinder-fressen-unsere-moore
² Mooratlas: https://www.boell.de/de/mooratlas
³ Faba Talk: https://www.youtube.com/watch?v=V6lOvQP2ido&t=2248s
⁴ Öko-Institut Studie „Gesundes Essen fürs Klima“, Seite 27 / Greenpeace Studie „Das Potenzial einer grünlandbasierten Milchproduktion in Deutschland“, Seite 24